Hinweisgeberschutzgesetz
Mit dem Hinweisgeberschutzgesetz sollen Personen, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit Rechtsverstöße melden, vor Repressalien geschützt werden. Zudem werden Arbeitgeber mit mindestens 50 Beschäftigten zur Schaffung interner Meldestellen verpflichtet.
Worum geht es?
Mit dem Hinweisgeberschutzgesetz (kurz HinSchG) wird in Deutschland die "Whistleblower"-Richtlinie der Europäischen Union von 2019 umgesetzt. Ziel des Gesetzes ist es, Hinweisgeber, die straf- oder bußgeldbewehrte Verstöße ihres Arbeitgebers gegen das EU-Recht oder deutsches Recht melden, vor Benachteiligungen (z.B. Kündigung) zu schützen. Meldungen von Hinweisgebern sind an spezielle interne oder externe Meldestellen möglich. Je nach Beschäftigtenzahl besteht eine Verpflichtung für Arbeitgeber, eine interne Meldestelle hierfür einzurichten.
Wer ist wann betroffen?
Unter dem Schutz des seit 2. Juli 2023 geltenden Gesetzes stehen alle Beschäftigten in Deutschland. Es sind daher alle Betriebe betroffen, die mindestens eine Person beschäftigen (Arbeitnehmer, Auszubildende).
Ob ein Betrieb auch eine interne Meldestelle einrichten muss, richtet sich nach der Beschäftigtenzahl (Pro-Kopf-Zählung):
- Betriebe mit mindestens 250 Beschäftigten müssen seit 2. Juli 2023 eine interne Meldestelle eingerichtet haben.
- Betriebe mit 50 bis 249 Beschäftigten müssen seit 17. Dezember 2023 eine interne Meldestelle eingerichtet haben.
- Betriebe mit 1 bis 49 Beschäftigten sind nicht verpflichtet, eine interne Meldestelle einzurichten.
Hinweis: Die Nichtumsetzung der Vorgaben stellt eine Ordnungswidrigkeit dar und kann mit einer Geldbuße von bis zu 20.000 Euro geahndet werden. Allerdings wird die nicht fristgerechte Erfüllung der Verpflichtung zur Errichtung interner Meldestellen erst seit dem 1. Dezember 2023 bußgeldrechtlich sanktioniert.
Welche Meldestellen gibt es?
Das HinSchG unterscheidet zwischen internen und externen Meldestellen.
Betriebe ab 50 Beschäftigten sind verpflichtet, eine interne Meldestelle einzurichten. Bei 50 bis 249 Beschäftigten muss seit dem 17. Dezember 2023 eine interne Meldestelle eingerichtet sein. Bei mindestens 250 Beschäftigten besteht die Pflicht seit dem 2. Juli 2023, wobei eine nicht fristgerechte Erfüllung dieser Verpflichtung erst seit dem 1. Dezember 2023 bußgeldrechtlich sanktioniert wird.
Daneben ist die Einrichtung externer Meldestellen bei staatlichen Behörden vorgesehen. Nach dem HinSchG fungiert das Bundesamt für Justiz (BfJ) als zentrale externe Meldestelle. Für bestimmte Bereiche wie die Finanzwirtschaft bestehen gesonderte externe Meldestellen.
Reihenfolge der Nutzung
Hinweisgeber können im Einzelfall frei entscheiden, ob sie die interne Meldestelle des Arbeitgebers nutzen oder sich an die externe Meldestelle wenden. Laut Gesetzestext „sollten“ Hinweisgeber die Meldung an eine interne Meldestelle bevorzugen in den Fällen, in denen intern wirksam gegen den Verstoß vorgegangen werden kann und sie keine Repressalien befürchten.
Betriebe sollten daher Anreize für eine vorrangige Nutzung interner Meldestellen schaffen, indem sie klare und leicht zugängliche Informationen über die Nutzung des internen Meldeverfahrens bereitstellen. Wenn zunächst eine interne Meldestelle kontaktiert und in der Folge dem intern gemeldeten Verstoß nicht abgeholfen wird, bleibt es dem Hinweisgeber unbenommen, sich an die zuständige externe Meldestelle zu wenden.
Hinweis für Betriebe mit 1 bis 49 Beschäftigten
Betriebe mit 1 bis 49 Beschäftigten sind nicht zur Errichtung interner Meldestellen verpflichtet. Gleichwohl seit dem 2. Juli 2023 der Schutz des HinSchG für Hinweisgeber, die sich direkt an eine externe Meldestelle wenden.
Für Betriebe mit 1 bis 49 Beschäftigten kann es daher sinnvoll sein, im Rahmen interner Compliance-Strukturen freiwillig eine interne Meldestelle einzurichten und damit ein innerbetriebliches Angebot zur Abklärung von (vermeintlichen) Rechtsverstößen vorzuhalten. Inwieweit der damit einhergehende organisatorische und personelle Aufwand lohnt, sollte unter Berücksichtigung der Beschäftigtenzahl, der Komplexität der Betriebsstrukturen und der Tätigkeitsbereiche beurteilt werden.
Welche Anforderungen an die interne Meldestelle gibt es?
Die interne Meldestelle betreut die Meldekanäle, führt das Verfahren und ergreift Folgemaßnahmen. Die Meldestelle kann aus einer einzelnen Person oder einer Personengruppe bestehen. Zur Wahrung des Verfahrens ist die Benennung eines Stellvertreters sinnvoll. Die interne Meldestelle kann auch an einen externen Dienstleister ausgelagert werden. Beschäftigungsgeber mit 50-249 Beschäftigten können zudem eine gemeinsame Meldestelle errichten.
Zur Vorbereitung ist die Umsetzung einiger Maßnahmen notwendig (eine Checkliste hierzu finden Sie auf Seite 15 des ZDH-Leitfadens im Kasten):
- Einrichtung des Meldekanals (Anonymität muss nicht sichergestellt werden)
- Vertrauliche Entgegennahme Meldung/ Offenlegung in mündlicher oder in Textform und ggf. Realisierung eines persönlichen Treffens oder Videokonferenz ermöglichen
- ggf. Berücksichtigung der Mitbestimmung des Betriebsrates bei Einrichtung der internen Meldestelle (wie, nicht ob) - Erstellung und Bereitstellung umfangreiche und transparente Informationen zum Verfahren und zum Datenschutz mit dem Ziel der Nutzung der internen Meldestelle
- Einhaltung Informationspflichten Art. 13 DSGVO, Art. 14 DSGVO
- Bereitstellung Informationen über externe Meldestellen - Auswahl und Bestellung geeigneter Person/en - Fachkunde der mit Aufgabe der Meldestelle betrauten Person/en
- juristische, organisatorische und grundlegende finanzwirtschaftliche Kenntnisse sinnvoll
- Unabhängigkeit der beauftragten Personen bei der Ausübung der Tätigkeit
- andere Aufgaben und Pflichten möglich
- Ausschluss Interessenkonflikte zwingend
Welche Verstöße können gemeldet werden?
Verstöße sind rechtswidrige oder missbräuchliche Handlungen oder Unterlassungen im Rahmen einer beruflichen, unternehmerischen oder dienstlichen Tätigkeit. Es kann sich z.B. um folgende Verstöße handeln:
- Verstöße gegen Strafvorschriften (z.B. ArbSchG, ArbZG, SchwarzArbG, StGB, AO)
- Verstöße, die bußgeldbewehrt sind, soweit die verletzte Vorschrift dem Schutz von Leben, Leib oder Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane dient (weit zu verstehen), z.B. aus den Bereichen
- Arbeits- und Gesundheitsschutz
- Verstöße gegen das Mindestlohngesetz (MiLoG
- Verstöße des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) - Verstöße gegen Rechtsnormen, die zur Umsetzung europäischer Regelungen getroffen wurden. Dies sind z.B.
- Regelungen zur Bekämpfung der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, zur Produktsicherheit
- Vorgaben zum Umwelt- und Strahlenschutz, Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit
- Regelungen des Verbraucherschutzes, zum Schutz vor unzumutbarer Werbung (z.B. mittels Telefon, E-Mail)
- Regelungen des Datenschutzes, Sicherheit in der Informationstechnik, Vergaberecht
Wie läuft das Meldeverfahren ab?
- Eingang Meldung von hinweisgebender Person
- Eingangsbestätigung binnen 7 Tagen an hinweisgebende Person
- Prüfung, ob sachlicher Anwendungsbereich eröffnet
- Prüfung der Stichhaltigkeit der Meldung und im Bedarfsfall Ersuchen um weitere Informationen
- Einleitung Folgemaßnahmen, z.B. Ermittlungen, Weitergabe an zuständige Behörden, Abschluss des Verfahren
- Rückmeldung an hinweisgebende Person
- Frist zur Prüfung des Sachverhaltes – 3 Monate
- Verlängerung der Frist auf 6 Monate bei komplexen Sachverhalten – Hinweis an hinweisgebende Person Dokumentation auf dauerhaft abrufbare Weise - Die Regelfrist zur Aufbewahrung beträgt 3 Jahre, diese kann aber mit entsprechender Begründung verlängert werden.
Welche Folgen haben Falschmeldungen oder verbotene Repressalien?
Das HinSchG enthält zwei spezielle Schadensersatzvorschriften.
Im Falle einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Falschmeldung hat der Hinweisgeber den daraus resultierenden Schaden zu erstatten. Sonstige fahrlässig getätigte unrichtige Meldungen sollen indes keine Schadensersatzansprüche begründen. Grob fahrlässige oder vorsätzliche Falschmeldungen durch Hinweisgeber sind zudem als Ordnungswidrigkeit bußgeldbewährt.
Bei einem Verstoß gegen das Repressalienverbot hat der Schädiger den daraus resultierenden Schaden zu ersetzen. Dieser Anspruch umfasst auch zukünftige finanzielle Einbußen. Daneben können nach allgemeinen Regelungen des Zivilrechts weitere Ansprüche bestehen, so etwa auf Schmerzensgeld oder auf Entschädigung in Geld wegen Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts.
Achtung Beweislastumkehr
Wenn ein Beschäftigter geltend macht, eine Repressalie (z.B. Abmahnung, Kündigung) aufgrund einer vorausgehenden Meldung nach dem HinSchG erlitten zu haben, obliegt es dem Arbeitgeber zu beweisen, dass die betreffende Maßnahme nicht auf der Meldung oder Offenlegung von Informationen, sondern auf hinreichend gerechtfertigten anderen Gründen beruht.
Handlungshilfen für Betriebe
Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) hat zum Hinweisgeberschutzgesetz einen Leitfaden mit Checkliste erstellt, den Sie im obenstehenden Kasten downloaden können.
Handwerkskammer Lübeck Rechtsauskunft Kontakt zu den Mitarbeitern der Rechtsauskunft Telefon 0451 1506-195 rechtsauskunft@hwk-luebeck.de
Handlungshilfen
Download pdf ZDH-Leitfaden mit Checkliste (431,85 KB)
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